Die etwas andere Meerschweinchenseite
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Grundstein
Grundstein
September 2011

Wildschwein-Zähmung - Wie wird mein Meerschweinchen zahm?

Regelmäßig bekommen wir Anfragen, wie Meerschweinchen am leichtesten und am schnellsten zahm werden und wie wir es geschafft haben, dass unsere Schweinebande so zutraulich geworden ist. Daher haben wir uns dem Thema der Schweine-Zähmung gewidmet.

Von Natur aus scheu?

Haus-Meerschweinchen sind sehr unterschiedlich zahm. Während die einen in der nächsten dunklen Ecke Schutz suchen, sobald jemand den Raum betritt, hängen andere bereits mit beiden Vorderpfoten über dem Geländer und fordern lautstark ein Leckerchen ein, das sie einem gierig aus der Hand reißen. Das erste Verhalten (Schutzsuchen) ist dabei ein viel natürlicheres für Meerschweinchen.

Von Natur aus sind Meerschweinchen reine Fluchttiere, die bei vielen Raubtieren auf der bevorzugten Speisekarte stehen. Da sie selbst über keinerlei Verteidigungsmechanismen verfügen, besteht ihre einzige Rettung in der Flucht. In der Natur werden Meerschweinchen fast ausschließlich von oben angegriffen und die Angreifer sind in aller Regel deutlich größer als sie selbst. Daher haben Meerschweinchen einen ganz natürlichen Fluchtreflex vor allem, was von oben kommt sowie tendenziell vor allem, was größer ist als sie selbst – und das ist so ziemlich alles, wenn man eben nur eine kleine Birne von ca. 10 cm Höhe ist.

Der Fluchtreflex hat wild lebenden Meerschweinchen über tausende von Generationen das Überleben gesichert. Dementsprechend deutlich ist dieser Reflex auch noch in unseren Hausmeerschweinchen verankert. Auch Hausmeerschweinchen laufen vor allem Großen, was von oben kommt, instinktiv davon, auch wenn der Schweinehalter ernsthaft an ihrem Verstand zweifelt, weil die Schweinemeute mal wieder vor einer Schüssel voll Gemüse davongelaufen ist, die ins Gehege gestellt wird…

Meerschweinchen hat Angst vor Dingen die von oben kommen

Zahmheit antrainieren?

Diese natürliche Angst, die Meerschweinchen auch vor dem Menschen davonlaufen lässt, lässt sich nicht mit wenigen Tricks innerhalb von ein paar Tagen abtrainieren. Vielmehr ist es notwendig, über einen langen Zeitraum das Vertrauen des Meerschweinchens (Gurken-)Stück für (Gurken-)Stück aufzubauen und zu stärken. Das Meerschweinchen muss viele (und das heißt wirklich seeeehr viele!) gute Erfahrungen mit seinem Menschen machen, um schließlich nach und nach Vertrauen zu fassen.


Vertrauensvolle Umgebung

Zufluchtsorte

Meerschweinchen brauchen zu jedem Zeitpunkt einen möglichen Fluchtpunkt, in den sie sich zurückziehen können, wenn sie Schutz brauchen. Das heißt, sowohl im Gehege als auch im Auslauf werden immer genügend Hütten / Kartons etc. benötigt, sodass alle Tiere in einer Stresssituation ein Versteck finden.

Meerschweinchen Conny fühlt sich im Tunnel sicherer

Manche (veraltete) Ratgeber empfehlen, ängstlichen Meerschweinchen keine Schutzhütten anzubieten, weil sie dann schneller zahm werden. Dies ist vollkommener Unsinn. Natürlich können sich die ängstlichen Tiere dann nicht mehr in eine Hütte verkriechen (wie auch, wenn keine da ist?), aber zahm sind sie deswegen natürlich noch lange nicht. Ganz im Gegenteil leiden sie in solchen Situationen unter extremem Stress und sie werden sich nicht angenehm an solche Situationen zurückerinnern. Meerschweinchen die dagegen jederzeit wissen, dass sie sich notfalls schnell verstecken können, werden insgesamt auf Dauer wesentlich entspannter sein.

Am besten ist es, wenn die festen Zufluchtspunkte nicht verändert werden, sondern zuverlässig am bekannten Ort bleiben. Nur eine Zufluchtsstätte, die man im Ernstfall innerhalb weniger Sekunden wie im Schlaf findet, ist wirklich vertrauensförderlich.

Weitsicht

Oft erschrecken sich Meerschweinchen, wenn plötzlich etwas über ihnen auftaucht. Die uralte Angst vor dem Andenkondor steckt auch unseren Hausmeerschweinchen noch in den Knochen.

In Gehegen mit sehr hohen Wänden haben die Meerschweinchen oft keine Möglichkeit, ihre Menschen von Weitem kommen zu sehen. Die hohen Wände schränken die Weitsicht enorm ein. Geht man auf ein solches Gehege zu, taucht man aus Schweinesicht plötzlich und unerwartet „dort oben“ auf. Kein Wunder, dass dies für einen großen Schrecken sorgt. Wir empfehlen daher, die Gehegewände nur so hoch, wie unbedingt nötig zu bauen, sodass die Schweine noch möglichst weit in den Raum hineinsehen können. So können sie einen schon von Weitem kommen sehen und reagieren erfahrungsgemäß viel entspannter und unerschrockener.


Tipps zum Vertrauensaufbau

Streichel-Aufbaukurs mit Gemüsehilfe

Die beste Bestechungsmethode bei Meerschweinchen ist leckeres Futter. Wenn sie immer wieder die Erfahrung machen, dass sie aus der Hand leckere Köstlichkeiten erhalten, wird die Angst nach und nach geringer und die Neugier immer größer. Am besten baut man den Kontakt ganz langsam und vorsichtig auf.

Futtern in Sichtweite der Hand

Zuerst kann man das Futter vorsichtig mit der Hand in Sichtweite des Meerschweins ablegen und zieht sich dann zurück. Sehr verängstigte Schweine werden sich nur aus ihrem Versteck trauen, wenn man den Raum verlassen hat. Nach einigen Tagen Gewöhnung trauen sich allerdings die meisten Meerschweinchen auch schon dann aus ihrem Versteck, wenn man noch leise vor dem Gehege sitzen bleibt.

Als nächsten Schritt kann man die Hand in der Nähe des abgelegten Futters liegenlassen und abwarten, bis sich das Meerschweinchen das Futter schnappt und vermutlich erst einmal in sicheren Abstand zur Hand bringen wird.

Futtern direkt aus der Hand

Wenn das Schweinchen irgendwann das Futter auch dicht neben der Hand abholt, kann man versuchen, das Gemüse direkt aus der Hand anzubieten. Am besten eignet sich dazu besonders leckeres Gemüse, das man in lange Streifen schneidet und nur am äußersten Ende anfasst. Traut sich das Schwein, das Gemüse zu schnappen, sollte man es loslassen und dem Schweinchen seinen Triumph gönnen. Schließlich war es gerade ganz besonders mutig!

Meerschweinchen Ninja ist voll mutig

Nach einigen erfolgreichen Versuchen kann man schließlich versuchen, das Gemüse festzuhalten, sodass das Schweinchen aus der Hand fressen muss. Vermutlich wird es erst einmal abhauen, wenn es feststellt, dass es seine Beute nicht mitnehmen kann. Aber erfahrungsgemäß wird die Fresslust schließlich doch überwiegen.

Erste Berührungen

Bei besonders ängstlichen Kandidaten kann es sinnvoll sein, die Hand anfangs ganz ruhig zu halten und die Berührung vom Schweinchen ausgehen zu lassen. Dazu hält man ein Gemüsestück so "ungeschickt", dass das Schweinchen nur herankommt, wenn es die Hand ein bisschen berührt. Solche indirekten Kontakte werden erfahrungsgemäß weniger bedrohlich wahrgenommen, als wenn die Hand aktiv in Richtung Schweinchen bewegt wird.

Wenn das Meerschweinchen irgendwann wie selbstverständlich Gemüsestücke aus der Hand frisst und diese auch ohne große Scheu selbst berührt, kann man zur nächsten Phase übergehen und das Schweinchen „wie zufällig“ mal mit der Hand am Hals streifen oder vorsichtig mit einem Finger anstupsen. Am besten eignen sich die Stelle seitlich an der Wange oder auch der Nasenrücken für einen vorsichtigen Anfang. Auch leckere Sonnenblumenkerne auf der Handfläche ermöglichen es, das Schweinchen vorsichtig am Hals zu berühren.

Ruhe bewahren

Wichtig ist es bei den ersten Berührungen, immer nur langsame Bewegungen mit der Hand auszuführen und sich trotzdem schon mal auf den Schrecken des Schweinchens einzustellen. Stellt es nämlich fest, dass auf einmal Bewegung von der Hand ausgeht, wird es sehr wahrscheinlich Reißaus nehmen. Erschrickt man sich selbst dabei zu Tode und schleudert die Sonnenblumenkerne erschrocken durchs ganze Gehege, ist dies für den Vertrauensaufbau nicht gerade förderlich…

Meerschweinchen nähert sich der Hand

Jeder Körperkontakt zum Meerschweinchen sollte freiwillig sein. Zieht sich das Schweinchen zurück, sollte man nicht mit der Hand nachrücken. Das mühsam aufgebaute Vertrauen wäre sonst schnell aufgebraucht…

Entspannung auf Schweineseite

Bleibt man geduldig am Ball und füttert regelmäßig aus der Hand, so lassen es die meisten Schweinchen nach einigen Wochen zu, vorsichtig über den Nasenrücken, von dort über den Kopf und manchmal auch bis zum Nacken oder Rücken zu streicheln. Dass die Berühung für das Schweinchen keinen Stress mehr bedeutet, lässt sich daran erkennen, dass es auch während der Berührung im normalen Tempo weiter futtert. Erstarrt es allerdings bei der Berührung und hört auf zu kauen, ist dies ein recht deutliches Zeichen, dass ihm die Situation nicht geheuer und vermutlich auch unangenehm ist.

Nach mehreren Wochen - oder auch Monaten - lernen die meisten Schweinchen, dass eine Berührung nichts Schlimmes ist und dass sie dabei entspannt weiterfressen können. Einige Schweine lassen sich allerdings auch mit Gemüse-Streichel-Aufbaukurs nicht überzeugen und gehen Berührungen trotz Training, Geduld und Vorsicht weiterhin aus dem Weg.

Beschleunigung durch Zwangskuscheln?

Vom „Zwangskuscheln“ zur Zähmung halten wir und die Öttis gar nichts. Immer wieder hört man, dass Meerschweinchen zahm und zutraulich werden, wenn sie möglichst oft aus dem Gehege herausgenommen und auf dem Arm gestreichelt werden. Diese Technik lehnen wir vollkommen ab, weil sie eindeutig unfreiwillig ist. Ein Meerschweinchen hat auf dem Arm keine Chance, seinen Unwillen zu zeigen. Manche Meerschweinchen knabbern an der Hand, um zu zeigen, dass sie sich unwohl fühlen, andere machen sich ganz flach und pressen sich auf den Arm, der sie hält. Dieses Verhalten zeigen Meerschweinchen, die sich vor ihrem Feind verstecken wollen auch in freier Wildbahn. Sie pressen sich möglichst dicht ins Gras und bewegen sich nicht, in der Hoffnung, sie könnten so den Augen des Feindes entgehen. Leider wird das flache und bewegungslose Hinlegen oft als „Kuscheln“ missverstanden.

Unsere Öttis werden nur dann gekrault, wenn sie jederzeit die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen. So wissen wir, dass es ihnen nicht allzu unangenehm ist. Andi zeigt allerdings oft genug durch einen grummeligen Gesichtsausdruck, dass er nicht durchgewuschelt werden will und erträgt diese Quälerei nur für ein extragroßes Leckerchen.

Meerschweinchen Andi lässt sich nur ungern streicheln

Geräusche und Stimme

Meerschweinchen müssen sich nicht nur an die Optik und das Anfassen von großen, unheimlichen Wesen gewöhnen, sondern auch an ungewohnte Geräusche und Stimmen. Am besten spricht man mit ruhiger Stimme regelmäßig zu ihnen, um sie an die menschliche Stimme zu gewöhnen. Dabei ist es ihnen gleich, ob man den Wetterbericht vorliest oder mit der Tante in Buxtehude telefoniert.

Unbekannte Geräusche sind für Meerschweinchen am besten erträglich, wenn sie nur langsam lauter werden. Ein laufender Staubsauger, der schon im Nebenzimmer eingeschaltet wird, ist gleich viel weniger erschreckend. Und auch leise Musik stellt für Meerschweinchen kein Problem dar.

Zahm durch ein Vorbild

Viel Arbeit bei der Zähmung von Meerschweinchen kann man sich ersparen, wenn man ein älteres, erfahrenes und bereits zahmes Meerschweinchen für die ängstlicheren Artgenossen zum Vorbild hat. Die scheuen Schweinchen werden sich schnell die Verhaltensweisen des zahmen Kollegen abschauen. Schließlich sehen sie regelmäßig, dass es sich lohnt, auf eine Hand zuzugehen, wenn man dafür dicke Gurkenstücke absahnen kann! Und wenn der gelassene Mitbewohner völlig unbeeindruckt sitzen bleibt, wenn er mal gestreichelt wird, dann kann dies ja nicht ganz so schlimm sein, wie befürchtet. In einer halbwegs zahmen Meerschweinchengruppe werden neu eingegliederte Tiere mit etwas Geduld von ganz alleine zutraulicher.

Meerschweinchen Ninja schaut dem mutigeren Andi zu

Charakterunterschiede

Wie bei uns Menschen gibt es auch bei Meerschweinchen deutliche Charakterunterschiede. Manche lernen sehr schnell, dass man ihnen nichts Böses will und werden dementsprechend schnell zahm. Andere benötigen wesentlich mehr Lerndurchgänge, um ganz sicher zu sein, dass ihnen von der Hand nichts Böses droht. Manche Schweinchen sind von Natur aus neugieriger, während andere lieber ein bisschen vorsichtiger sind und Abstand halten.

Auch bei uns Menschen gibt es diejenigen, die sofort Vertrauen fassen und mit ihren Mitmenschen auf Tuchfühlung gehen. Andere sind etwas reservierter. Diese Charakterunterschiede – die teilweise auch durch unterschiedliche Erfahrungen mit Menschen wie beispielsweise den Vorbesitzern bei Second-Hand-Schweinchen geprägt sind – werden immer bestehen bleiben und lassen sich mit aller Geduld nicht völlig „wegtrainieren“. Es gibt einfach vorsichtige Schweinchen, die lieber mal auf ein Leckerchen verzichten, weil sie partout nicht angefasst werden möchten.

Will mich da Jemand streicheln?

Sind die SIFLE-Schweine auch zahm?

Auch unsere Öttis sind nicht alle gleich zahm. Insbesondere Ninja kann es gar nicht leiden, angefasst zu werden. Flüchtige Berührungen an der Wange sind gerade eben noch in Ordnung, wenn Ninja sie selbst kaum bemerkt (und das ist bei einer ausgebildeten Spezialagentin nahezu unmöglich!). Jeder bewussten Berührung weicht sie aus und lässt dafür notfalls auch knackfrischen Salat liegen. Wir wissen nicht, warum sie Berührungen derart schrecklich findet.

Möglicherweise hat sie in ihrem früheren Zuhause keine guten Erfahrungen mit Menschen gemacht. Vielleicht hat sie auch ganz einfach ihren eigenen Kopf und kann Fummelei überhaupt nicht leiden. Ängstlich wirkt sie dabei überhaupt nicht, sondern einfach schrecklich angewidert. Sie ist durchaus menschenbezogen und kommt sofort angelaufen, wenn sie etwas Leckeres erwartet. Doch beim kleinsten Stups mit dem Finger sucht sie das Weite. Wir lassen ihr ihren Willen. Trotz ihrer Kuschel-Phobie ist Ninja ein ganz liebenswertes Schweinchen, das toll zu beobachten ist und anstelle von Schmuse-Einheiten viele andere tolle Eigenarten zu bieten hat.

Zahn? Zahm!
Was man wissen muss wenn man Meerschweinchen haben will Typische Anfängerfehler bei der Meerschweinchenhaltung Wieviel Platz Meerschweinchen brauchen Wieviel Auslauf Meerschweinchen brauchen Kann man Meerschweinchen alleine oder mit Kaninchen halten Optimale Zusammenstellung einer Meerschweinchengruppe Worauf man bei Meerschweinchen aufpassen muss Was Meerschweinchen kosten Natürliches Verhalten von Meerschweinchen Hilfe und Informationen zur Vergesellschaftung von Meerschweinchen Rangordnung in Meerschweinchengruppen Wenn Meerschweinchen sich streiten Meerschweinchen Zucht oder Vermehrung Meerschweinchen im Urlaub Meerschweinchen in Außenhaltung Wie Meerschweinchenwerden können Wie Meerschweinchen zahm werden Namen für Meerschweinchen
 
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