Grundstein
Dezember 2015
Herr Holle
Es war einmal eine Schweinewitwe, die hatte zwei Töchter. Beide waren ziemlich hübsch, aber auch etwas faul. Vielleicht war „faul“ auch ein zu hartes Wort, um die beiden Schwestern zu beschreiben. Aber sie waren eben Meerschweinchen durch und durch und trieben den ganzen Tag nur das, was ihnen so in den Sinn kam: Herumspeckern, schnüffeln, mampfen, herumliegen, gähnen, schmatzen, sich am Ohr kratzen, in der Hängematte relaxen… Schweinedinge eben.
Nun hatte die Schweinemutter davon gehört, dass es einen alten Schweinemann gab, der immer auf der Suche nach fleißigen Helfern für seinen Senioren-Haushalt und seine Wetterstation war. Es war bekannt, dass die Helfer von dem Senioren namens Herrn Holle reichlich entlohnt wurden und so entschloss sich die Mutter, ihre Töchter zu ihm zu schicken. Zum einen konnten sie dort ein bisschen Hausarbeit erlernen, zum anderen tat es den bequemen Damen bestimmt ganz gut, mal ein bisschen zur Arbeit angehalten zu werden. Und auf die Belohnung war Mama-Schwein natürlich auch scharf.
Also beschrieb Mama-Schwein ihren Töchtern den Weg (ab in den Brunnen, weiter kreuz und quer über einige Wiesen und dann immer der Nase nach) und wünschte ihnen eine gute Reise.
Die beiden Schweineschwestern waren gerade aus dem Brunnen wieder aufgetaucht, da fanden sie sich auch schon auf der schönen Wiese wieder, die ihnen die Mutter beschrieben hatte. Sie bewunderten noch das saftige Gras und die leckeren Löwenzahnblätter, als sie an einem alten Ofen vorbei kamen.
Aus dem Ofen hörten sie eine laute Stimme, die rief: „Holt mich heraus! Holt mich heraus! Ich bin ein frisches Brot und ich bin schon längst ausgebacken. Holt mich heraus bevor ich verbrenne!“ Die beiden Schweineschwestern schauten sich verdutzt an und wunderten sich, dass es sprechende Brote gab. Von so etwas hatten sie noch nie gehört.
Sie schnupperten an dem Ofen und spürten, wie sich von der Hitze ihre Barthaare kräuselten. Da nahmen sie doch lieber Abstand und riefen „Hallo Brot, du bist total ungesund. Wir dürfen gar kein Brot fressen. Und frisches schon gar nicht. Sind da vielleicht noch ein paar getrocknete Apfelscheiben bei dir im Ofen? Davon dürften wir nämlich ein Stückchen schmatzen und das schmeckt gar nicht so schlecht. Nur ein bisschen gummig, aber sonst ganz OK."
Das Brot war sichtlich irritiert und wusste so schnelle keine Erwiderung. Da verabschiedeten sich die beiden Schweineschwestern auch schon: "Kein Apfel da? Dann wollen wir auch mal weiter. Immerhin haben wir schon seit gut zwanzig Minuten nichts mehr gefressen und für Meerschweinchen ist es sehr wichtig, regelmäßig zu fressen, verstehst du? Tschüssi dann…“ - und weg waren die beiden Schweinedamen.
Sie liefen weiter munter und vergnügt über die saftig grünen Wiesen, ließen sich hier mal ein Sonnenblümchen schmecken und zupften sich dort mal ein paar Gänseblümchen aus der Wiese. Sie schnobberten so herum und standen auf einmal vor einem großen Apfelbaum.
„Lecker Apfelbaum!“ schoss es den beiden fülligen Schweinedamen als erstes in den Kopf. Aber noch bevor sie Pläne zum großen Apfelbaumfressen schmieden konnten, hörten sie auch hier eine Stimme. Der Apfelbaum rief: „Ach rüttelt mich und schüttelt mich! Meine Äpfel sind alle schon dick und reif. Ich trage so schwer an ihnen. Rüttelt mich und schüttelt mich!“
Die beiden Schweinedamen waren nicht minder erstaunt als bei der Stimme aus dem Ofen zuvor. Sprechende Bäume? Das wurde ja immer verrückter! Sie rechneten jeden Augenblick damit, dass Kurt Felix mit der versteckten Kamera um die Ecke kam und darauf hatten sie ja mal überhaupt keinen Bock. Also erzählten sie dem Baum mal ein paar Takte: „Reife Äpfel? So dicke mehlige? Och nee, die mögen wir gar nicht. Lieber frische Gurke oder ein bisschen knackigen Salat. Da hätten wir jetzt wohl Appetit drauf. Oder hast du wenigstens ein paar frische Paprika im Angebot? Auch nicht? Dann nehmen wir uns einfach ein paar deiner knusprigen Apfelbaumblätter, die hier auf der Wiese herumliegen. Die schmecken uns am allerbesten und das ist auch nicht so anstrengend. Schönen Tag noch!“. Bestens gelaunt machten sich die Schweineschwestern auf den weiteren Weg und schmatzten unterwegs noch genüsslich einige Apfelbaumblätter, die sie sich als Proviant mitgenommen hatten.
Schließlich kamen die beiden gut genährten Schweineschwestern an ein kleines Haus. In der Tür stand eine älterer Herr, der erschreckend große Zähne hatte. Die beiden Schweineschwestern fühlten sich gleich sehr heimisch, hatten sie doch schließlich selbst recht große Nagezähne. Sie fragten sich, ob der Opa vielleicht auch zur Familie der Rodentia gehörte? Aber der Pelzmann stellte sich zur Enttäuschung der Schweineschwestern als Herr Holle vor und sagte: „Wollt ihr bei mir bleiben und fleißig arbeiten? Besonders wichtig ist es, dass ihr die Federbetten jeden Tag kräftig aufschüttelt, denn dann schneit es auf der Erde.“
Die beiden Schwestern waren frohen Mutes und ließen sich von Herrn Holle die Federbetten zeigen. Sie kuschelten sich gemütlich in die dicken, blütenweißen Kissen und erholten sich erst mal von ihrer anstrengenden Reise und machten ein kleines Verdauungsschläfchen. Apfelbaumblätter verdauen machte nämlich mächtig müde.
Am nächsten Tag kam Herr Holle zu den beiden Schwestern und entdeckte sie schlafend inmitten der großen Kissen. Verärgert stellte er fest, dass die Kissen ganz zerdrückt und verwühlt waren. Die beiden Schwestern hatten nur faul darin herumgelegen und die Kissen kein einziges mal aufgeschüttelt. Und wie sahen die Kissen aus! Total eingesaut! Pipiflecken, Einstreuflocken und auch noch Schweinebohnen – was für eine Sauerei! Herr Holle ergriff die Kissen und schüttelte sie mit aller Kraft, sodass aller Schmutz nur so durch die Luft wirbelte – und auf der Erde regnete es Einstreuflocken, Schweinebohnen und gelben Schnee.
Die beiden faulen Schweineschwestern schickte Herr Holle durch einen großen Torbogen, um ihnen ihren gerechten Lohn auszuzahlen. Erwartungsvoll stellten sich die beiden Schweineschwestern unter den Torbogen und schauten nach oben. Es ergoss sich Pech von oben über die beiden Schweinedamen. Kein Problem – schwarz waren sie vorher auch schon gewesen. Sie warteten noch ein Weilchen ab – nur für den Fall, dass vielleicht noch etwas Leckeres kommen sollte. Als nichts weiter kam, machten sie sich bestens gelaunt auf den Rückweg über die saftig grünen Wiesen. Erfreut stellten sie fest, dass an dem mit Pech beklebten Fell die Apfelbaumblätter prima hängen blieben. Also nahmen sie sich davon noch eine riesige Portion mit, indem sie sich über die Wiese rollten und die Blätter überall auf ihrem Fell festklebten.
Zurück bei ihrer Schweinemutter erzählten die beiden Schwestern begeistert von den schmatzigen Wiesen, von den köstlichen Apfelbaumblättern und von den herrlich weichen, kuscheligen Kissen bei Herrn Holle. Die Mutter war sehr stolz auf ihre beiden emsigen Schweinekinder und freute sich sehr über die restlichen Apfelbaumblätter, die noch in ihrem Fell hingen und die sie genüsslich gemeinsam verspeisten.
Mit dabei:
Fips
als Herr Holle mit seinem gälischen Bettenlager
Muffi
als Schweinetochter mit schwarz im Fell
Hatgarkeinschwarzimfellelani
als Schweinetochter die für die Geschichte so tun musste als hätte sie schwarz im Fell
und
Flummi
als kinderarbeitunterstützende Mutter
Der Olle Herr Holle hat ne dicke Bolle!