Grundstein
April 2012
Desinfektion eines Meerschweinchengeheges
Normalerweise ist es bei der regelmäßigen Reinigung des Schweineheims nicht notwendig (und auch gar nicht empfehlenswert!) zu desinfizieren. Gründliches Auswischen mit Wasser und Citroessenz oder Essigessenz ist bei der normalen Meerschweinchenhygiene vollkommen ausreichend.
Allerdings ist es bei einigen Erkrankungen notwendig, das gesamte Schweinegehege inklusive aller Einrichtungsgegenstände zu desinfizieren, um die Erreger endgültig loszuwerden.
Da unser Schweineheim geschätzte 50.000 Ecken, Kanten und Winkel hat und zudem vollkommen aus Holz besteht, hatten wir immer größte Panik vor einer derartigen Erkrankung und hatten gehofft, wir blieben von der Notwendigkeit einer vollständigen Desinfektion verschont. Schließlich kann man das Schweineheim nicht mal eben so in der Badewanne mit kochendem Wasser übergießen, wie dies zur Desinfektion handelsüblicher „Nagerkäfige“ empfohlen wird.
Mehr oder weniger als Nebendiagnose erhielten wir dann aber völlig unerwartet bei einer Kotprobe die Hiobs-Botschaft: Kokzidien und Würmer!
Erste Recherchen im Internet ließen unseren Mut sinken und die Verzweiflung wachsen. An vielen Stellen fanden wir die Information, dass Kokzidien so ziemlich die unverwüstlichste Lebensform auf diesem Planeten darstellen und mit keinerlei Desinfektionsmittel zu eliminieren seien. Zudem stand in vielen Texten, dass es notwendig sei, über Wochen immer wieder aufs Neue zu desinfizieren.
Wir fanden sogar Anleitungen, die es als zwingend notwendig darstellten, über mindestens vier Wochen täglich (!) das gesamte Meerschweinchengehege zu desinfizieren. Da lag sogar die Idee nahe, das gesamte Schweineheim abzureißen und neu zu bauen. Aber selbst das würde ja nichts nützen, wenn täglich Neuinfektionen durch jede einzelne Schweinebohne möglich waren. Die Bekämpfung von Parasiten schien eine echte Sisyphos-Arbeit zu sein.
Eine kompetente Tierarzthelferin konnte unsere Ängste allerdings mildern und erklärte uns ihren Plan zur Ausrottung der Parasiten:
Desinfektions-Plan
Tag 1:
Vollständige Desinfektion des gesamten Geheges und aller Einrichtungsgegenstände.
Tag 1 – 5:
Medikamentengabe gegen Kokzidien und Würmer
Tag 7:
Erneute Desinfektion des Geheges und aller Einrichtungsgegenstände
Tag 19 – 23:
Vorsichtshalber zweite Medikamentengabe gegen Würmer (weil einzelne Nissen unter Umständen im Darm der Schweinchen die erste Medikamentengabe überlebt haben könnten).
Tag 23:
Abschließende Desinfektion des Geheges und aller Gegenstände
Tag 1 – 23:
Da die Parasiten auch außerhalb ihrer Wirtstiere (in diesem Fall Öttis) überlebensfähig sind, ist es wichtig, das Schweinegehege in dieser Zeit besonders trocken zu halten. Daher sollten während der gesamten Behandlungsdauer täglich die bevorzugten Pipiecken herausgeschaufelt und frisch eingestreut werden.
Auch wenn dieser Plan gut drei Wochen umfasste und jede Menge harte Arbeit beinhaltete, schien uns dies schon machbarer als verschiedene Horror-Versionen, die wir im Internet an etlichen Stellen gefunden hatten.
Desinfektions-Behandlung
Aber wie desinfiziert man nun ein historisch gewachsenes Schweineheim, das zu über 90% aus Holz besteht?
- Tauchbad in Formaldehyd?
- Schockbehandlung mit dem Flammenwerfer?
- Gamma-Strahlung im Schweinezimmer?
Unsere Desinfektions-Behandlung sah folgendermaßen aus:
Schweineheim
Der PVC-Boden wurde mit heißem Wasser und einem Lappen, der in pure Essigessenz getränkt wurde, gründlich abgescheuert und anschließend mit einer Dampfente (=handlicher Dampfreiniger) nochmals abgedampft.
Alle Holzflächen (Umrandung, Seitenteile, Decken) wurden ebenfalls gründlich mit der Dampfente bearbeitet – und zwar alle Seiten: von vorne, hinten, oben und unten.
Der Dampf ist mindestens 100 Grad heiß und tötet alle Parasiten und sonstige unerwünschte Lebensformen zuverlässig ab. Allerdings ist es wichtig, den Dampfreiniger sehr dicht über die Oberfläche zu führen, denn nur direkt an der Austrittsdüse hat der Dampf tatsächlich 100 Grad. Außerdem darf der Dampfreiniger nicht zu schnell über die Oberfläche geführt werden, damit auch die Erreger tatsächlich auf 100 Grad erhitzt – und somit eliminiert – werden.
Alle lackierten Holzflächen wurden zusätzlich noch einmal mit Essigessenz abgerieben.
Auch die Plexiglasscheiben erhielten die Doppelbehandlung von Dampfente und Essigessenz – und haben dies unbeschadet überstanden.
Inneneinrichtung
Korkröhren landeten für 60 Minuten bei 120 Grad im Backofen.
Achtung: Anschließend ist eine gründliche Backofenreinigung notwendig, weil sich der Geruch von geröstetem Kork sonst lange darin hält. Für Menschennasen ist dieser nicht unbedingt angenehm.
Häuschen, Unterstände und andere sperrige Gegenstände, die nicht in den Backofen hineinpassen, können mit einer Heißluftpistole abgeflammt werden. Dabei sollte man aufpassen, den passenden Zeitpunkt zu erwischen, zu dem die Erreger bereits alle abgetötet sind, das Häuschen aber noch nicht zu Asche verbrannt ist. Insbesondere an den Schnittkanten brennt das Holz sehr schnell an.
Ötti-Hausrat
Alle Textilien (Kuschelsäcke, Hängematten, Decken, Heunetze) können bei 95 Grad in der Waschmaschine gewaschen werden. Die meisten Teile halten dem Stand, auch wenn eine geringere Waschtemperatur empfohlen wird. Alternativ haben wir einige Stoffteile mit kochendem Wasser frisch aus dem Wasserkocher übergossen.
Steine und Näpfe können ebenfalls mit kochendem Wasser übergossen werden. Allerdings neigen einige Steine (zum Beispiel roter Lochziegel) dazu, Wasser aufzusaugen und dies über Tage zu speichern. Und insbesondere bei der Behandlung gegen Parasiten will man ja jedes Tröpfchen Feuchtigkeit möglichst vermeiden, um den Parasiten das Leben so schwer wie nur möglich zu machen. Für poröse Materialien kommt daher eher die trockene Backofen-Behandlung in Frage.
Reinigungs-Material
Keinesfalls sollte man nach einer Reinigungsaktion vergessen, auch alle benutzten Reinigungsmaterialien zu desinfizieren, um sich die mit viel Mühe entfernten Parasiten nicht bei der nächsten Benutzung wieder einzuschleppen!
Unser Gummibesen und -handfeger wurden mit kochendem Wasser übergossen. Alle verwendeten Tücher und Lappen wurden entweder bei 95 Grad gewaschen oder direkt in den Müll entsorgt.
Die Bewohner
Und die Öttis?
Die Öttis waren an dem gesamten Ablauf im Grunde nur als Wirts-Tier beteiligt. Sie beherbergten die Parasiten und sahen damit ihren Job als erledigt an.
Essigessenz stach ihnen zu stark in der Nase. Die Dampfente war ihnen irgendwie zu sperrig und zu laut. Und an den Heißluftfön haben wir die Öttis aus Sicherheitsgründen gar nicht erst herangelassen. Gekräuselte Barthaare und halbgegarte Lederschlappohren wären wohl noch das kleinste Übel gewesen.
Da die Öttis also bei der Desinfektion nicht wirklich hilfreich waren, haben wir sie an den Tagen der Komplett-Desinfektion kurzerhand ausquartiert, damit sie uns nicht die ganze Zeit zwischen den Lappen herumspringen und sich über Dampfwolken beschweren. Mit dem Klappgehege war im Wohnzimmer schnell ein provisorisches Zuhause aufgebaut, das die Öttis in aller Ruhe einwohnen konnten – und anschließend natürlich von uns auch vollkommen desinfiziert werden musste. Das heißt: Nach der vollständigen Desinfektion des gesamten Schweineheims und Wiederbesiedelung durch die Öttis durften wir auch die provisorisch genutzten Häser nochmal abflammen, die unterlegte Decke bei 95 Grad waschen, alle Teile des Klappgeheges mit Essigessenz abwischen - ebenso wie den Boden, auf dem das Gehege gestanden hatte. Danach weiß man, was man getan hat!
Das Ergebnis
Eine Kotuntersuchung nach Abschluss der gesamten mehrstufigen Behandlungs- und Desinfektions-Tournee brachte uns schließlich das mit Bangen erwartete Ergebnis: Die Öttis waren wieder 100% keimfrei und der Reinigungs-Marathon hatte offenbar sowohl Kokzidien als auch Würmer restlos ausgerottet. Somit haben wir nun – immerhin – die Erkenntnis, dass unsere Methoden der Desinfektionsbehandlung gegen beide Parasitenarten wirksam sind.
Wir wissen nun auch, dass man sich mit Parasiten nicht nur jede Menge Ärger, sondern auch eine Menge Arbeit einhandelt. Man benötigt nicht nur Dampfente, Essigessenz und eine sehr große Biotonne, sondern auch Ausdauer und Geduld. Dennoch ist ein Parasitenbefall kein Weltuntergang und grundsätzlich zu bewältigen – auch wenn wir persönlich auf diese Erkenntnis sehr gut hätten verzichten können…
I Can’t Get No Desinfection!