Grundstein
Juli 2017
Tiere im Heu
Wer Meerschweinchen mit abgepacktem Tüten-Heu
aus dem Zooladen ernährt, kennt vermutlich nur eine Sorte Tiere im Heu: Meerschweinchen, die sich im Heu herumsulen, Halme mümmeln und das gute Heu versauen. Abgesehen von diesen pelzigen Heuparasiten ist das "Einzelhandels-Heu" normalerweise frei von Lebewesen.
Bei Heu vom Bauern sieht das anders aus. Der Bauer mäht im Sommer seine Wiese, lässt das Heu dort in der Sonne liegen, wendet es einige male und presst es dann zu Ballen, die meist in halboffenen Scheunen gelagert werden. In diesem Heu finden sich gelegentlich Kleinsttiere, die mit bloßem Auge sichtbar sind: Heuläuse. Es handelt sich um kleine schwarze Punkte, die bei genauerer Betrachtung sechs Beine, einen Kopf und Fühler aufweisen.
Bei Außenhaltung
dürften die winzigen Krabbeltiere vermutlich weder Schwein noch Mensch stören. In vielen Fällen werden sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt, weil draußen ohnehin einiges an Miniviehzeugs unterwegs ist. Da interessiert es niemanden, ob neben der Blattlaus noch eine Heulaus sitzt.
Bei Innenhaltung können Heuläuse gegegen schnell zu Panik beim Zweibein führen: "Aaaaaaaaaahhhhhh! Parasitenbefall! Das Viehzeugs wird sich in meinem Sofa einnisten, dann die Hauswände durchsetzen, die Möbel zerfressen und ich muss schließlich verwanzt und verlaust unter der nächsten Brücke schlafen!" Insbesondere Stadtmenschen, die sich von der Natur etwas entfremdet haben, haben manchmal ein leicht problematisches Verhältnis zu Insekten, Krabbelviehzeugs und anderen Kleinstlebewesen. Während ein Zwerghamster noch als niedlich empfunden wird, löst der Gedanke an Milben im Bett hysterische Anfälle aus, die mit einer Desinfektionsmittelpumpe
und Gasbrenner in der Hand enden. Doch so weit muss es nicht kommen.
Heuläuse sind ganz natürliche Bewohner von Heu. Sie leben draußen auf Wiesen und fressen dort abgestorbene Pflanzenteile. Bei der Heuernte werden sie einfach (ohne gefragt zu werden!) mit abgemäht, gewendet, in Ballen gepresst, in der Scheune eingelagert, Richtung Schweineheim
transportiert und schließlich in die Heuraufe gestopft. Die Heuläuse sind also keine aufdringlichen Parasiten, die sich heimlich und heimtückisch einen Weg ins traute Heim gesucht, sondern sie werden ungefragt aus ihrem natürlichen Lebensumfeld gerissen und einer gefräßigen Schweinebande zum Fraß vorgeworfen. Vermutlich könnte sich eine Heulaus auch was Besseres vorstellen.
Wenn es aber nun soweit gekommen ist, dass Heuläuse im Schweineheu sitzen, ist dies erst mal völlig unproblematisch. Heuläuse interessieren sich nicht für Meerschweinchen. Sie interessieren sich für Heu. Und zwar nur für Heu. Bei Meerschweinchen sieht das genauso aus. Die interessieren sich nicht für Heuläuse, sondern ebenfalls nur für Heu. Meerschweinchen können Heu mit Heulausbesatz problemlos fressen, ohne Schaden zu nehmen. Selbst wenn gelegentlich mal eine Heulaus mit verspeist wird, ist dies - zumindest aus Sicht des Meerschweins - kein Problem. Vermutlich ist eine winzige Proteinquelle gar nicht mal so ungesund. Und in freier Natur landet auch mal ein winziges Insekt im Schweinemagen ohne Schaden anzurichten.
Auch für das Schweinegehege sind Heuläuse kein Problem. Heuläuse bleiben ausschließlich unmittelbar bei ihrer Nahrungsquelle: dem Heu. Direkt unter einem Heuhaufen findet man schon mal ein paar Heuläuse, aber bereits 20 cm weiter in der Einstreu
ist keine einzige Laus zu entdecken. 20 cm ist für eine Heulaus mit gerade mal 2 mm Körperlänge auch eine ganz schöne Strecke. Warum sollte sie den weiten, beschwerlichen Weg auf sich nehmen, wenn sie doch gerade mitten in einem riesen Haufen ihrer Lieblingsmahlzeit sitzt? Das wäre ganz schön dämlich. Darum bleiben Heuläuse direkt im Heu sitzen. Beim Saubermachen
werden die Heuläuse einfach mit dem alten Heu aus dem Gehege entfernt. Und selbst wenn beim Saubermachen mal eine Heulaus herunterfällt, sucht sie sich schnurstracks den nächsten Heuhaufen, um darin unterzutauchen. Polstermöbel, Teppichböden, Schweinepelze und andere Untergründe, die uns vielleicht gemütlich oder kuschelig erscheinen, interessieren die Heuläuse nicht die Bohne.
Heu mit Heuläusen darin kann also problemlos an die Schweinebande
verfüttert werden. Wer aber dennoch ein mulmiges Gefühl dabei hat, die kleinen Krabbelviecher in die eigenen vier Wände zu holen und dort theoretisch auch noch "frei laufen" zu lassen, der kann Heuläuse mit recht einfachen Mitteln aus dem Heu vertreiben.
Heuläuse vertreiben
Benötigt werden:
- einige Quadratmeter Platz
- evtl. eine große feste Folie und ein paar Steine zum Beschweren
- Sonnenstrahlung
- etwas Zeit
- keine Gräserallergie
An einer sonnigen Stelle wird die Folie ausgelegt und mit ein paar Steinen beschwert, damit das ganze nicht bei der ersten Windböe davon fliegt.
Dann wird das Heu so gut wie möglich auseinandergezupft und in einer dünnen Schicht auf der Folie ausgebreitet. Die Sonne brennt den Heuläusen ordentlich auf den Pelz und die kleinen Mitbewohner machen sich aus dem Heustaub.
Idealerweise wird das Heu ein oder zwei mal gewendet und - ja nach Stärke der Sonneneinstrahlung - kann es nach ca. 2 bis 3 Stunden schon wieder zusammengerafft und eingepackt werden. Wer vorher einen Pressballen Heu in einer Kiste hatte, wird sich über das enorme Volumen wundern. Eine zweite (oder dritte) Kiste ist hilfreich.
Nach der Trocknungsaktion ist das Heu etwas struppiger und evtl. auch heller.
Möglicherweise funktioniert das Ganze auch ohne die Folie, wenn man eine entsprechend große Fläche z.B. Pflastersteine hat. Da wir als Untergrund eine Rasenfläche nutzen, verwenden wir vorsichtshalber eine Folie, damit nicht versehentlich neue Bewohner wie z.B. Ameisen, Hasen oder Nachbars Hund in das Heu einziehen.
Im Winter sind die Möglichkeiten zur Heutrocknung leider meist nicht vorhanden. Bei feucht-kaltem Wetter funktioniert die Trocknung nicht und die Sonneneinstrahlung ist nur in den Sommermonaten ausreichend stark. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass Heuläuse auch am häufigsten in den Sommermonaten auftreten. Vermutlich sind die Eier der Heuläuse immer im Heu vorhanden, aber bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit haben sie optimale Brutbedingungen und entwickeln sich dann auch in vorher augenscheinlich lausfreien Ballen besonders zahlreich.
Heuläuse vermeiden?
Heuläuse lassen sich im Heu leider nicht ganz vermeiden. Sie leben auf den Gräsern und werden als Beifang bei der Heuernte mit eingelagert. Eine Wiese ist nun mal kein spanisches Gewächshaus und im Grunde ist es ein gutes Zeichen, wenn eine Wiese so lebendig ist, dass Kleinstlebewesen darauf leben. Nur mit massivem Einsatz von Giften wäre es möglich, eine Wiese und somit das Heu frei von Krabbelviechern zu halten. Allerdings ist das Heu dann auch mit Giften belastet und nicht mehr fressbar.
Hersteller von Tütenheu nehmen die zusätzliche Heutrocknung praktisch vorweg, damit Krabbelviecher möglichst gar nicht in die Tüten gelangen. Tüten-Heu wird noch mal extra getrocknet und durchgepustet und dann fast keimfrei in Tüten verpackt. Der Nachteil ist allerdings, dass dieses Heu meistens strohiger ist als das "frische" Heu vom Bauern. Durch die Extratrocknung werden die Halme brüchiger und bröseliger. Die Öttis haben bisher in keinem Tütenheu so lange Halme finden können, wie im Heu aus dem Pressballen vom Bauern. Nur im Bauernheu kann man sich so richtig einbuddeln und nur aus dem langhalmigen Bauernheu lassen sich Bastbündel schnüren. Darum bleiben die Öttis lieber ihrem Bauernheu treu, das außerdem auch nur einen Bruchteil vom Tütenheu kostet. Und wenn doch mal krabbelige Untermieter einziehen, werden sie entweder ignoriert oder mit Sonnenlicht vertrieben.
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