Grundstein
April 2010
Meerschweinchen-Mythen - The Ö-Files
Meerschweinchen sind sehr geheimnisvolle Tiere, um die sich zahlreiche mystische Erzählungen, Halbwahrheiten und Mythen ranken. So manches im Wesen der Meerschweinchen erscheint uns rätselhaft und unerklärlich: Wie kann man innerhalb weniger Tage Nahrungsmengen in Höhe des eigenen Körpergewichts vertilgen, ohne zuzunehmen? Wie kann man mit einem superfeinen Gehör Quietschgeräusche im Hyperschallbereich abgeben, ohne selbst taub zu werden? Wie kann man sich mit dem linken Fuß über den Rücken hinter dem rechten Ohr kratzen, ohne sich das Rückgrat zu brechen? Fragen über Fragen, unerklärliche Phänomene, auf die die Menschheit vermutlich niemals Antworten finden wird.
Einige Mythen, die über Meerschweinchen erzählt werden, möchten wir an dieser Stelle jedoch exklusiv aufklären, sofern sie zum jetzigen Zeitpunkt enträtselt wurden.
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Mythos Nr. 1: Meerschweinchen vertreiben Ratten
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Mythos Nr. 2: Meerschweinchen stinken
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Mythos Nr. 3: Meerschweinchen und Kaninchen können zusammen Nachwuchs zeugen
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Mythos Nr. 4: Öttis eignen sich als Snack, wenn man gerade sonst nichts im Haus hat
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Mythos Nr. 5: Meerschweinchen wollen die Weltherrschaft an sich reißen
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Mythos Nr. 6: Besprüht man Meerschweinchen mit Parfüm o.ä., lassen sie sich einfacher vergesellschaften
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Mythos Nr. 7: Ein Schwein mehr macht keinen Unterschied
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Mythos Nr. 8: Meerschweinchengeschwister verstehen sich besonders gut
Mythos Nr. 1: Meerschweinchen vertreiben Ratten
Gerade in ländlichen Gegenden hält sich der Mythos, Meerschweinchen seien geeignet, Ratten fernzuhalten. Es wird erzählt, die hohen Quietschtöne der Meerschweinchen seien für Ratten unangenehm und diese würden daher um Meerschweinchengehege große Bogen machen.
Diese Annahme ist definitiv falsch. Ratten stören sich nicht im geringsten an den Geräuschen, die Meerschweinchen von sich geben. Im Gegenteil: Meerschweinchen können (in Außenhaltung) unter Umständen sogar Ratten anlocken. Zum einen locken Futterreste generell unerwünschte Gäste wie zum Beispiel Ratten an (OK, dies ist vielleicht zu vernachlässigen, da Meerschweinchen äußerst selten Futter liegen lassen, sofern im Schweinemagen noch ein Plätzchen dafür zu finden ist). Zum anderen locken gerade schwache oder neugeborene Schweinchen (insbesondere auch die Blutspuren einer Geburt) potenzielle Fressfeinde an, zu denen auch Ratten gehören.
Ebenso wie Marder können auch Ratten für Meerschweinchen sehr gefährlich werden, sodass Meerschweinchen in Außenhaltung besonders gegen diese Tiere abgesichert werden müssen.
Die Wahrheit
Meerschweinchen halten in keiner Weise Ratten fern, sondern können ihnen in Außenhaltung sogar zum Opfer fallen.
Mythos 2: Meerschweinchen stinken
Verrät man irgendjemandem, dass man Meerschweinchen als Haustiere hält, so kommt häufig als allererstes die Reaktion: „Waaas? Meerschweinchen? Die stinken doch so entsetzlich!“ *mit gerümpfter Nase und angewidertem Gesichtausdruck wie kurz vor dem Erbrechen wegdreh*
Letztlich muss man natürlich sagen, dass das Geruchsempfinden von Menschen sehr unterschiedlich ist. Während der eine durch Käsefußgeruch fast ohnmächtig wird und der andere in einer Seelenruhe auch den zweiten Turnschuh auszieht und fragt „Ist was?“, glaubt man schon mal, dass manche Menschen schlichtweg ohne Geruchssinn leben müssen. Aber auch als etwas geruchsempfindlicher Mensch muss man vor dem „Schweinegeruch“ keine Angst haben. Im Gegensatz zu vielen anderen Kleinnagern wie beispielsweise Mäusen, die (pardon, aber es ist wirklich so) einen recht starken und auch strengen Eigengeruch haben, sind Meerschweinchen nahezu geruchlos. Selbst wenn man seine Nase tief ins Meerschweinchenfell hineinbohrt, riecht man kaum mehr, als einen leichten Heugeruch. Dieser kommt vermutlich vom hohen Heukonsum und Herumlümmeln im Heu. Vielleicht duften aber auch die Schweinchen selbst leicht nach Heu. Dies lässt sich nicht sicher abklären. Und selbstverständlich hat man als Schweinchenhalter einen leichten Heugeruch immer im Zimmer, in dem die Schweinchen wohnen. Dies lässt sich nicht vermeiden, wird jedoch von den meisten Menschen als unaufdringlich und nicht störend empfunden. Wer dagegen den leicht kräuterigen Geruch von Heu absolut ekelerregend findet, sollte sich die Anschaffung von Meerschweinchen noch mal gut überlegen.
Einige werden jetzt vielleicht denken „Sooo war das auch nicht gemeint. Nicht die Schweine stinken, sondern ihre Hinterlassenschaften!“
Da ist natürlich was dran. Wobei man auch dort wieder etwas genauer hinschauen muss: Meerschweinchen ernähren sich vegan, d.h. vollständig ohne tierische Inhaltsstoffe. Ihre Hinterlassenschaften bestehen zu einem Großteil aus Heu und sind auch im frischen Zustand recht trocken. Die Schweinebohnen sind daher praktisch geruchlos. Nehmen Sie ruhig mal allen Mut zusammen und schnuppern Sie an einer frischen Schweinebohne. Sie werden überrascht sein!
Naja, die kleinen Schweine selbst mampfen ja sogar regelmäßig einige frische Bohnen zur Vitaminversorgung und die wissen, was gut ist. Also tun Sie sich nur keinen Zwang an… Wenn der Geruch von Schweinenbohnen dagegen irgendwie an die Hinterlassenschaften von anderen Tieren wie Hunde oder Katzen erinnert, ist dies sogar ein recht sicheres Anzeichen für eine Krankheit und Sie sollten einen Tierarzt zu Rate ziehen.
Aber natürlich besteht das Futter von Meerschweinchen auch zu großen Teilen aus Wasser. Manche Gemüsesorten fungieren ja praktisch als farbige, geformte, leicht angedickte Wasserbündel (zum Beispiel auch bekannt unter dem Namen „holländische Tomate“). Dieses Wasser muss natürlich auch irgendwie seinen Weg durchs Schwein finden – und auch wieder heraus. Nun ist es nicht so, dass der Geruch von Meerschweinchen-Urin die Nasenschleimhäute ablöst, aber nach einigen Tagen an der Luft – bzw. in der Einstreu – lässt sich eine gewisse Geruchsentwicklung doch nicht leugnen.
Zum Teil ist diese Geruchsentwicklung auch von der Art des Einstreus abhängig. Wir haben die besten Erfahrungen mit grober Holzspan-Einstreu gemacht, doch auch diese muss nach einigen Tagen an den besonders beliebten Pipi-Stellen erneuert werden. Grobe Strohpellets an besagten Stellen verringern die Geruchsbelästigung nochmals ein wenig, doch empfindliche Nasen werden nach spätestens 4-5 Tagen (bei großer Schweineanzahl auf geringer Fläche sogar noch viel eher) einen leichten Müffelgeruch wahrnehmen, der nur durch Saubermachen verschwindet.
Die Wahrheit
Meerschweinchen stinken nicht. Selbst Meerschweinchenbohnen stinken nicht. Aber Meerschweinchenpipi müffelt nach ein paar Tagen. Dagegen hilft nur regelmäßiges Saubermachen.
Mythos 3: Meerschweinchen und Kaninchen können zusammen Nachwuchs zeugen.
Immer wieder hört man von Geschichten, in denen Meerschweinchen und Kaninchen angeblich gemeinsamen Nachwuchs gezeugt haben. Aus biologischer Sicht kann man ganz eindeutig sagen, dass dies nicht möglich ist.
Nur Tiere, die der gleichen Art angehören, können auch gemeinsam Nachwuchs zeugen. Dies ist auch dann möglich, wenn es sich um verschiedene Rassen handelt. So können eine Dackel-Dame und ein Bernersennenhund grundsätzlich gemeinsamen Nachwuchs zeugen, auch wenn dies unter Umständen zu argen Rückenproblemen bei der Dackel-Dame führen wird. Da aber beides Hunde sind, ist die Fortpflanzung biologisch möglich.
Kaninchen und Meerschweinchen sind dagegen verschiedene Tierarten. Während Kaninchen zu den Hasenartigen gehören, rechnet man Meerschweinchen zu den Nagetieren. Ob dies hundertprozentig korrekt ist, wissen selbst die Biologen heutzutage noch nicht sicher. Klar ist jedoch, dass Kaninchen und Meerschweinchen verschiedene Arten sind und sich somit ebensowenig gemeinsam fortpflanzen können wie Elefanten mit Giraffen oder Gorillas mit Schmetterlingen.
Der Mythos von gemeinsamen Nachkommen von Meerschweinchen und Kaninchen beruht vermutlich auf der Tatsache, dass leider immer noch in vielen Zoohandlungen Männlein und Weiblein bunt gemischt in gemeinsamen Gehegen sitzen und zu allem Übel auch noch Meerschweinchen und Kaninchen als gemeinsame Partner empfohlen werden. So kommt es immer mal wieder vor, dass jemand ein Meerschweinchen-Kaninchen-Pärchen aus einer Zoohandlung kauft und nach wenigen Wochen das jeweils weibliche Tier überraschend Nachwuchs bekommt. Dies liegt dann allerdings nicht an der wundersamen Paarung verschiedener Arten sondern an der gemischtgeschlechtlichen Haltung in der Zoohandlung. Das weibliche Tier wurde also schon vor dem Kauf von Artgenossen gedeckt.
Dass nicht der artfremde Partner als biologischer Erzeuger in Frage kommt, lässt sich auch leicht daran feststellen, dass die geborenen Jungtiere immer ausschließlich Kaninchen oder Meerschweinchen sind und nicht etwa gemischte Würfe oder Meerschweinchen mit langen Ohren zur Welt kommen.
Die Wahrheit
Meerschweinchen und Kaninchen können keine gemeinsamen Nachkommen zeugen.
Mythos 4: Öttis eignen sich als Snack, wenn man gerade sonst nichts im Haus hat.
Wohl jeder Meerschweinchenhalter wurde schon mal mit dem geistreichen Kommentar eines Mitmenschen bedacht: „Meerschweinchen? Die kann man doch essen!“. Das ist natürlich nicht völlig falsch. Essen kann man ja grundsätzlich ganz vieles. Komisch, dass sich Echsen- oder Hundehalter kaum mal mit derartig unqualifizierten Äußerungen herumschlagen müssen. Schließlich sind auch Echsen und Hunde grundsätzlich essbar.
Der Ursprung sämtlicher Meerschweinchen-aufessender Kommentare liegt wohl im Ursprungsland der Meerschweinchen in Südamerika. Dort werden bestimmte Rassen von Meerschweinchen durchaus zum Verzehr gezüchtet. Allerdings kommen auch die Südamerikaner nicht auf die Idee, kunterbunte 850g Rosettenschweinchen in die Pfanne zu hauen.
Schließlich kommt auch niemand auf die Idee, Zwerghamster zu grillen. Da ist einfach viel zu wenig dran. Nach dem Enthaaren wiegt ein Hausmeerscheinchen ja nicht mal mehr so viel wie ein halbes Hähnchen. Und dreifarbige Punktmuster auf dem Braten finden selbst Südamerikaner unappetitlich.
Die Wahrheit
Die bei uns bekannten Hausmeerschweinchen werden nicht gegessen – weder hier, noch in Südamerika.
Mythos 5: Meerschweinchen wollen die Weltherrschaft an sich reißen.
Ebenso regelmäßig wie Weltuntergangs-Prophezeiungen kommen auch Gerüchte auf, dass die absolut harmlos und liebenswert aussehenden Meerschweinchen heimlich die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Dafür sprechen die Tatsachen, dass sich Meerschweinchen in zahlreiche Familien rund um den Erdball eingeschlichen haben. Ähnlich wie professionelle Terrorgruppen spannen sie Netzwerke mit unendlich vielen kleinen Zellen – völlig unbeachtet und direkt mitten in der Gesellschaft. Ihr Vorgehen ist dabei noch gerissener als das von Terroristen oder Bakterien. Sie tarnen sich als derart putzige, liebenswerte und absolut harmlose Tierchen, dass selbst Familien mit Kindern ihnen ein Heim gewähren und Meerschweinchenhalter nach immer neuen Schweinchen lechzen.
Ein weiteres Indiz für die bevorstehende Übernahme der Weltherrschaft sind die bisher unentschlüsselten Geheimbotschaften, die von Meerschweinchen vornehmlich nachts ausgesandt werden (Natürliches Verhalten).
Niemand kennt deren Bedeutung – und niemand kümmert sich darum. Die Meerschweinchen haben es geschafft, sich ein derartig friedliches und drolliges Image zuzulegen, dass niemand auch nur im Entferntesten an die Gefahr einer Weltherrschafts-Übernahme denkt.
Aber warum sonst sollten sich Meerschweinchen im
Agenten-Trainingscenter
zu Top-Agenten ausbilden lassen?
Die Wahrheit
Möglicherweise planen Meerschweinchen eine baldige Übernahme der Weltherrschaft – und wir ahnen nichts davon.
Mythos 6: Besprüht man Meerschweinchen mit Parfüm o.ä., lassen sie sich einfacher vergesellschaften.
Gerüche sind für Meerschweinchen sehr wichtig. Denn im Gegensatz zu Menschen erkennen sie ihre Kollegen nicht an der Optik sondern am Geruch.
Menschen lassen sich erfahrungsgemäß am leichtesten durch eine veränderte Optik täuschen. Den netten Nachbarn erkennt man beim Karneval im Clownskostüm kaum wieder und auch maskierte Bankräuber machen sich den Effekt zunutze, dass Menschen ihre Artgenossen fast ausschließlich über das Aussehen wiedererkennen.
Bei Meerschweinchen ist dies anders. Sie erkennen dank ihrer feinen Nase ihren ehemals-langhaarigen Artgenossen auch mit einer raspelkurzen Sommerfrisur wieder. Verkleidungen machen aus Meerschweinchensicht überhaupt keinen Sinn. Schließlich hat man den Schweinekollegen schon am Geruch erkannt, selbst wenn er hinter einem steht, noch bevor man eine eventuelle Verkleidung überhaupt bemerken würde.
Anhand des Geruchs können Meerschweinchen unmittelbar feststellen, ob ein Meerschweinchen zur eigenen Sippe gehört (also ob der Geruch bekannt ist), oder ob es sich um einen Eindringling / ein fremdes Schweinchen handelt.
Macht ein Meerschweinchen Bekanntschaft mit einem fremden Artgenossen, kann es diesen in Sekundenschnelle als "fremd" erkennen - selbst mit geschlossenen Augen.
Manche Menschen glauben daher, dass es eine gute Idee sei, Meerschweinchen mit Parfüm zu besprühen, wenn eine Vergesellschaftung ansteht, damit die Tiere identisch riechen oder den fremden Geruch des neuen Tieres nicht so stark wahrnehmen. Dies soll die Vergesellschaftung einfacher, schneller oder friedlicher machen.
Allerdings ist ja nicht der fremde Geruch selbst das Problem. Schließlich akzeptieren Meerschweinchen auch den Geruch eines fremden Artgenossens nach einiger Zeit, wenn sie ihn als Gruppenmitglied aufgenommen haben. Das Problem ist vielmehr die Tatsache, dass der Artgenosse fremd ist. Durch Parfüm wird er der alteingesessenen Gruppe sicher nicht vertrauter.
Meerschweinchen sind zwar nicht die Meister wenn es um logisches Kombinieren geht, aber wenn es um ihre Königsdisziplin (Riechen, Schnüffeln und Schnobbern) geht, lassen sie sich nicht so leicht hinters Licht führen. Nur weil das eigene Fell plötzlich ebenso stark nach Chanell Nr. 5 riecht wie das des fremden Kollegen da drüben, wird er einem nicht sympathischer. Vielmehr ist davon auszugehen, dass derartige Geruchsexplosionen die ganze Gruppe verstören und verunsichern, weil auch die ganz normale Kommunikation über Gerüche unmöglich wird.
Streitende Menschen werden sicher auch aufhören zu streiten, wenn man ihnen mit einer Drucklufttröte genau ins Ohr trompetet, aber den ursprünglichen Auslöser für den Streit wird man damit kaum beseitigen.
Konkurrierende Fußballfans, die beim Anblick der fremden Trikots schon einen erhöhten Adrenalinspiegel bekommen, kann man sicher von Handgreiflichkeiten abhalten, indem man ihnen mit einer Lasertaschenlampe direkt in die Pupille leuchtet, sodass sie sich gar nicht mehr sehen können.
Geeignete Methoden zur Konfliktbewältigung sind dies aber nicht. Aus diesem Grund sollte man auch Meerschweinchen nicht mit dem Parfüm-Knüppel vom Streiten abhalten. Neue Meerschweinchen müssen sich immer erst kennenlernen und brauchen dafür ein bisschen Zeit und gute Umgebungsbedingungen - dann klappts auch mit dem neuen Nachbarn.
Die Wahrheit
Menschliche Parfüms, die für unsere untrainierten Nasen hergestellt wurden, sind für hochempfindliche Meerschweinchennasen wie ein Knüppel auf den Kopp.
Mythos 7: Ein Schwein mehr macht keinen Unterschied
Von Meerschweinchen-Süchtigen hört man immer wieder den Spruch „Ein Schwein mehr macht keinen Unterschied“ – um zu rechtfertigen, warum ein weiteres Meerschweinchen aufgenommen wurde. Noch eins mehr und noch eins mehr… Jedes mal macht das betreffende neue Schwein angeblich keinen Unterschied. Im Extremfall endet diese Argumentation in einem Tier-Messi-Haushalt oder zumindest in eine Schweinegruppengröße, die den Halter irgendwann überfordert und dann in einer Abgabe aller Schweine endet. Doch so weit muss – und sollte – es nicht kommen. Jedes Schweinchen ist ein Individuum, ein lebendes Wesen und ein eigenständiger Charakter. Jedes Schwein macht einen bedeutsamen Unterschied. Darum sollte auch die Anschaffung eines weiteren Schweinchens gut überlegt sein. Denn man übernimmt die Verantwortung für ein Lebewesen – und zwar für sein gesamtes Leben.
Ein Schwein macht einen Unterschied. Ein Schwein frisst jede Woche locker ein Kilo Gemüse. Und einen großen Haufen Heu. Und Kräuter. Und Haselnussblätter. Und Wiesenschlingel, und, und, und. Das muss alles gekauft und bezahlt werden. Und jedes Schwein wandelt diese Köstlichkeiten in Schweinehinterlassenschaften um, und hinterlässt diese in der Einstreu. Das Schweineheim muss also auch häufiger gereinigt werden. Das macht mehr Arbeit. Und es wird mehr Einstreu benötigt, um alles frisch einzustreuen. Letztlich muss auch mehr Abfall entsorgt werden. Auch das kostet Geld bzw. Zeit. Entgegen mancher Behauptungen verteilen sich Meerschweinchenhinterlassenschaften nicht gleichmäßig auf die gesamte Wohnfläche, sondern es gibt besonders beliebte Orte für die Bohnen- und Urinabgabe. Diese Stellen sind dann bei einer größeren Gruppe auch deutlich schneller durchfeuchtet und in einem reinigungsbedürftigen Zustand. Bei den Öttis hat sich eine Vergrößerung der Gruppe von vier auf fünf Schweine durch den Einzug von Obstdame Apfel spürbar bemerkbar gemacht – obwohl den Öttis fast sechs Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen.
Jedes Schwein, das eine Gruppe vergrößert, kann auch mal krank werden. Die durchschnittlichen Behandlungskosten steigen also auch mit jedem weiteren Gruppenmitglied an. Umso deutlicher zeigen sich diese Steigerungen in Fällen, bei denen die gesamte Schweinegruppe behandelt werden muss wie z.B. bei Wurmbefall.
Aber natürlich verursacht ein zusätzliches Schwein nicht nur zusätzliche Arbeit und Kosten. Ein zusätzliches Schwein verursacht auch viel Freude und kann eine Bereicherung für die bestehende Schweinegruppe sein. Für ein gelangweiltes Schweineduo kann ein drittes Schweinchen eine große Bereicherung sein, da mehr zwischenschweinische Kontakte entstehen. Ein Kastrat kann für eine Damengesellschaft ein ruhender Pol, ein Streitschlichter und sexueller Freudenbereiter sein. Ein zweites Jungtier kann für ein einzelnes Jungtier in einer älteren Gruppe ein toller Spielgefährte sein. Eine mutige Schweinedame kann einer ängstlichen Schweinegruppe viel Sicherheit geben und ein leuchtendes Vorbild sein. Jedes Schwein verändert mit seinem individuellen Charakter und Wesen eine bestehende Schweinegruppe – positiv oder auch negativ. Denn ein weiteres Männchen kann eine harmonische Harems-Schweinegruppe vollkommen sprengen und bestehende Gruppenstrukturen zerstören. Darum sollte jede Gruppenerweiterung gut überlegt sein: Ob die zusätzlichen Kosten und anfallenden Arbeiten langfristig übernommen werden können und ob das Schwein gut in die bestehende Schweinegruppe hineinpasst.
Die Wahrheit
Jedes einzelne Schwein macht einen spürbaren Unterschied – sowohl hinsichtlich der anfallenden Kosten und Arbeit, aber auch für die Schweine selbst. Jeder Charakter verändert die Gruppe, die Schweinehierarchie, die Kontakte und das Zusammenleben.
Mythos Nr. 8: Meerschweinchengeschwister verstehen sich besonders gut
Aus unerklärlichen Gründen glauben viele Menschen, dass sich Meerschweinchen immer gut mit ihren Geschwistern vertragen. In einer Meerschweinchengruppe werden gerne Geschwister zusammengesetzt, weil sich diese angeblich gut verstehen und vertragen. Vielleicht weil sie sich schon immer kennen? Vielleicht weil sie ähnlich riechen? Oder weil sie einen Teil der gleichen Gene haben? Weil sie die gleiche Erziehung genossen haben? Oder weil sie sich häufig optisch ähneln? Egal was zu dieser Annahme führt – wir können sie überhaupt nicht bestätigen. Nach unserer Erfahrung haben sich bislang alle Öttis gut miteinander vertragen, obwohl sie keinerlei Verwandtschaftsverhältnis hatten. Die einzigen beiden Geschwister, die bei den Öttis wohnen – Chrissy und Lotti – waren bisher auch die beiden Schweinchen, die sich am wenigsten leiden können und sich am meisten streiten und mobben. Natürlich sind die beiden nur ein Schwesternpärchen und können nicht stellvertretend für alle Schweine auf der Welt gelten (warum eigentlich nicht?), aber sie sind ein gutes Beispiel, das den Mythos der Geschwisterliebe widerlegt.
Zahlreiche Schweineanfänger können zudem ein trauriges Lied davon singen, dass sich das anfangs unzertrennliche Brüderpärchen nach wenigen Wochen der Harmonie plötzlich heftig zerstritt und ein gemeinsames Zusammenleben unmöglich wurde. Meerschweinchen kennen in dieser Hinsicht scheinbar keine Verwandtschaft, bzw. lassen ihren Verwandten keine Sonderstellung zukommen. Wer akzeptiert oder gemocht wird, entscheidet unter Schweinen alleine die Sympathie und nicht der Familienstammbaum.
Die Wahrheit
Meerschweinchengeschwister vertragen sich nicht besser als Meerschweinchen ohne Verwandtschaftsverhältnis. Bei Brüderpärchen zerbricht die Harmonie häufig mit dem ersten Hormonschub.
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